21. April 2008

Einmal Hü und einmal Hott

Bei den xenophoben Kräften im Lande gibt es die lustige Idee, es solle gegen eine Entscheidung des Bundesgerichtes, den Gemeindestimmbürgern überlassen sein, wen sie in ihrer Gemeinde einbürgern wollen und wen sie ohne Angabe von Gründe nicht haben wollen. Daneben laufen aber auch Bestrebungen, dass eingebürgerte Ausländer ihr Bürgerrecht wieder verlieren sollten, wenn sie straffällig würden. Das alles wird dem Volke als Demokratie und Sicherheitspolitik verkauft. Man glaubt es, oder auch nicht, aber in diesem Lande scheinen sich bei 30% der Stimmbürger ob solcher Absurdität und Willkür nicht die Nackenhaare zu sträuben. Wird in solchen Kreisen eigentlich jemals eine Gedanke bis zum Schluss durchgedacht? Oder liegt das einzige Brestreben darin, mit immer neuen Schnapsideen seinen Platz im Medienrummel zu behaupten, auf dass nur ja nie jemand auf die Idee kommt, nach Inhalten und Lösungen zu fragen?

Was würde es denn in letzter Konsequenz bedeuten, wenn beide Forderungen Einzug in unser Gesetzeswerk erhalten würden? Da würden Menschen unabhängig von Sachverhalten eingebürgert, weil nur das Volk fehlerfrei bestimmen könne, wer denn nun Schweizer sein dürfe und sobald dieser Mensch eine Straftat beginge, würde per Gesetz der Volksentscheid aufgehoben, weil er ja so fehlerfrei gar nicht war. Das Bürgerrecht der Schweiz würde sowas wie in Lotterielos, losgelöst von rechtsstaatlichen Prinzipien und demokratischen Grundsätzen. Es würde abgewertet und jeder Substanz beraubt. Es ist schon etwas sehr bizarr, wie man unter dem Vorwand, schweizerische Werte zu wahren, alles was schweizerische Werte sind einfach bachab gehen lassen will.

Was macht das schweizerische Bürgerrecht denn so begehrt? Vermutlich ja kaum, eine Spielberechtigung an der EM. Bürger diese Landes zu sein, das bedeutet Teil eines zuverlässigen, demokratischen und rechtsstaatlichen Systems zu sein, zu dem sich die Bürger bekennen und das die Bürger vor Willkür und Entrechtung schützt. Das ist ein Unding sondergleichen, wenn diese Sinnbild für dauerhafte Zuverlässigkeit nun beliebig erteilt und entzogen werden soll, wie die Eintrittsberechtigung in einen Szeneclub.

Die Selbstinszenierung besagter Kräfte mutet wohl in der Tat manchmal an wie die Aufmerksamkeitsprostitution der Szenegirlies, aber noch haben wir es in der Hand, dass man aus der Schweizerischen Eidgenossenschaft keinen beliebigkeitsorientierten Szeneclub macht. Wir müssen nur die Gedanken der andern ganz fertig denken.

20. April 2008

Rote Rosen

Es war viel zu kalt für Ende November und da lag viel zu viel Schnee. Drei Stunden Fahrt lagen noch vor ihnen und der Tag war anstrengend gewesen. Die Frau hatte schon lange nicht mehr gesprochen. Sie hatte nur da gesessen, in ihrem Pelzmantel, und aus dem fahrenden Auto in den Schnee hinaus gestarrt. Hinaus in die kalten, blauorangen Lichter der Autobahnbeleuchtung, in den kurzen Abend mit seiner graukalten Dämmerung, in die leere Nacht. Sie hätte mit dem Mann reden können. Darüber, dass es zu kalt war für Ende November, darüber, dass zu viel Schnee lag und wie sehr sie die kurzen, schmutziggrauen Sonnenuntergänge im Novembernebel mochte. Es war ihr Geburtstag, sie war ein Novemberkind, und sie hatten ihn gefeiert, so wie man Geburtstage eben feiert. Er hatte ihr rote Rosen geschenkt, eine für jedes Jahr, in dem sie zusammen ihren Geburtstag gefeiert hatten. Das waren fünfundzwanzig rote Rosen. Er hatte ihr immer rote Rosen geschenkt. Nie hatte er einen Geburtstag vergessen und nie einen Jahrestag. Er hatte immer alles so gehalten, wie man es eben hält. Er war ein guter Fahrer; sicher, zuverlässig, vorsichtig und geübt. Er war der Mann, neben dem man im Auto getrost schlafen konnte und sie war sehr müde.
“Sollen wir da vorne raus für eine Tasse Kaffee und eine kleine Pause?”, fragte er. Sie nickte stumm. “Das wird uns gut tun”, sagte er, setzte den Blinker und fuhr auf den Parkplatz der Raststätte. Er suchte einen Platz nahe beim Eingang. Sie sollte nicht zu weit durch den Schneematsch gehen müssen in den schönen Schuhen und dem teuren, neuen Kleid. Er öffnete ihr die Tür und half ihr aus dem Wagen. Die Wolkendecke war aufgerissen und schenkte den Menschen auf dem Parkplatz den Blick auf die feine Mondsichel in ihrem milchigen Licht. Wind kam auf, ein beissend kalter Abgesang auf die Novemberstürme von anfangs Monat.
“Nimm die Rosen mit, du kannst sie nicht im Auto lassen! Es ist November und viel zu kalt für die Rosen”, sagte er. Die Frau versuchte zu lächeln. Sie öffnete die hintere Tür des Wagens, nahm den grossen Strauss mit den Rosen in den Arm und schloss die Tür. Das waren fünfundzwanzig rote Rosen in einem buntschimmernden Zellophan, oben eine Masche aus rotem Samtband und eine kleine, weisse Karte mit einem Herz. Der Kaffee und die Pause würden ihr gut tun. Im Laden hatte man die Dornen von den Rosen entfernt. Nichts sollte ihre Schönheit trüben. Im Restaurant, wo sie gegessen hatten, hatte jemand eine nasse Papierserviette um das untere Ende der Rosen gewickelt und eine Plastiktüte. Auf so einem langen Weg wären die Stiele sonst angetrocknet. Der Strauss wog schwer in den Armen der Frau. Er hatte ihr nie Sonnenblumen geschenkt oder Flieder. Der November war nicht der Monat für Sonnenblumen und Flieder. Rote Rosen waren aber immer passend. Manchmal hätte sie sich Veilchen gewünscht, Nelken, Astern oder auch nur ein paar Zweige von einem winterdürren Baum. Aber es war ihr Geburtstag und da musste es etwas Besonderes sein, wie jedes Jahr.
Die Raststätte war leer und warm, viel zu grell beleuchtet. Da war eine Weihnachtsdekoration an den Wänden; roter Plastik, grüner Plastik und kleine Töpfe mit Weihnachtsternen auf den Tischen. Aus unsichtbaren Lautsprechern ergoss sich synthetischfröhliche Weihnachtsmusik auf die Plastikdekoration. Sie bestellten Kaffee. Der Mann rauchte und redete. Ja, das Essen war wundervoll gewesen. Der ganze Tag war wundervoll gewesen. Er war so froh, dass da noch ein Tisch frei gewesen sei und das Essen sei ja wirklich vorzüglich gewesen. So speziell und einzigartig. Für sie wollte er immer nur das Beste. Man könne froh sein, wenn man da an einem Sonntag überhaupt noch einen Platz bekäme. Jeder wolle da hin. Ob ihr die Rosen gefielen und ob sie auch nicht zu kalt hätte. Die Frau versuchte ein Lächeln. Es war längst Zeit für die letzte Etappe der Heimreise.
Vor das letzte milchige Licht der feinen Mondsichel hatte sich eine Wolke geschoben und nun fielen wieder schwere Leintuchflocken aus dem Himmel. Draussen auf dem Parkplatz hatte der Wind einen winterdürren Ast von einem der Bäume neben die Beifahrertür geweht. Es war ein Buchenzweig von den hohen, schwarzgrauen Bäumen hinter der Parkplatzumzäunung. Ganz unten am Stiel war eine grünblaue Flechte und aussen an den Spitzen waren die leeren, struppigen Hülsen der Buchhecker. Der Zweig lag im schmutzigen Schnee neben dem Auto und das blauorange Licht der Autobahnbeleuchtung tauchte ihn in das kalte Licht der zu kalten Novembernacht. Die Frau legte den schweren Strauss mit den roten Rosen wieder auf den Rücksitz, zog ihren Mantel aus und legte ihn dazu. Dann schloss sie die Tür, hob den Buchenzweig auf, setzte sich in den Wagen und legte sich den schneenassen Zweig in den Schoss.
“Hast du nicht zu kalt, so ohne Mantel und dann noch das nasse Ding da auf den Beinen?” fragte der Mann.
“Novemberkinder frieren nicht”, sagte die Frau und lächelte.

Zeit der Heilung

Der eine bigotte, alte Mann aus Rom weilt gerade beim nicht ganz so alten, aber nicht minder bigotten Mann in Washington zu Besuch. Er hat wie immer, die Botschaft der Liebe und der Artigkeit im Gepäck und wie immer, sieht er sich mit den Opfer von so viel Liebe und Artigkeit konfrontiert. Tausende missbrauchter Kinder, die über Jahrzehnte von ihren Seelsorgern gequält wurden lassen sich nicht mehr mit etwas Schweigegeld und Loyalitätsgefasel unter Tisch kehren. Die unappetitliche Wahrheit wird nicht mehr aus lauter Scham und Rücksicht auf die Täter totgeschwiegen.

Es ist ja nun nicht so, dass Pädokriminalität unter katholischen Priestern ein US-amerikanisches Phänomen wäre. Überall auf der Welt, wo die Seelsorger in der rigiden, lust- und damit lebensfeindlichen Sexualmoral der römisch-katholischen Kirche gefangen sind, kommt es zu solchen Übergriffen. Nun will der Papst der Kirche und damit den Gläubigen mitsamt den Seelsorgern, Heilung verordnen und den schmierigen Morast seiner nicht ganz sittsamen Hirten erhellen. Das klingt schon fast philanthropisch, denn Heilung und Erhellung tun bitter Not.
Nur das mit der Heilung hat einen Klumpfuss. Heilung bedingt die Beseitigung der Krankheitsursache, und genau darum herum windet sich der Pontifex im gleichen unverständlichen Mass wie sein Vorgänger.
Die Kirchenoberen halten an einer Sexualmoral fest, die in ihrer ganzen Entstehungsgeschichte völlig praxisuntauglich und lebensfremd ist und war. Darüber hinaus lässt die Kirche ihre Priester scheinbar vollkommen im Stich, wenn die in ihrer Not nicht mehr weiter wissen und unter dem Druck straffällig werden.
Ist das Menschenliebe, wenn man die Essenz des Lebens erst verteufelt und die Menschen in ihrer Verzweiflung darob als Sünder hinstellt und im Stich lässt?

Wäre es nicht endlich an der Zeit, für eine Emanzipation der körperlichen Liebe? Wenn lange vor dem Rebbe aus Nazareth die Erkenntnis gewonnen wurde, dass Agape und Eros gleichwertige Erscheinungsformen der Liebe sind, und selbst besagter Rebbe das nie in Abrede gestellt hat, dann wäre es doch langsam an der Zeit, dass diese Erkenntnis auch bei den selbsternannten Nachfolgern des Rebbe ankommt. Wer vorgibt, die Liebe im Gepäck zu haben und dabei psalmodierend sexuelle Artigkeit fordert, der fördert am Ende nur die sexuelle Abartigkeit und damit den Tod jeder Liebe.

Zottel - Die Symbolfigur

Es ist eine allgemein bekannte Wahrheit, dass sich Ideen am besten mit Symbolen transportieren lassen. Aussterbende Arten will man mit dem Pandabären retten, das Seelenheil mit einem Hinrichtungsinstrument und neuerdings will eine ehemalige Volkspartei die Schweiz mit einem Ziegenbock retten. Dieser Altherrenverein der monetär sehr und intellektuell kaum betuchten Kulturproleten scheint es sich dabei allerdings zum Ziel gesetzt zu haben, sich bis auf die Knochen zu blamieren. Betrachtet man sich dieses fleischgewordene Symbol urschweizerischer Durchsetzungskraft - ein netter Euphemismus für Sturheit - und Potenz etwas näher, dann bleibt beim eigenständig denkenden Betrachter im freundlichsten Fall eine irritierte Ernüchterung.

Wer im Heidiland vom Geissenpeter nämlich eines jener imposanten und kulturträchtigen Tiere erwartet, wie sie die alpinen Gegebenheiten der Schweiz in einer erstaunlichen Vielfalt hervorgebracht haben, der wird bitter enttäuscht. Zottel der Bock ist nämlich weder Schweizer, noch ein Bock. Er ist ein kastrierter Afrikaner und wie alle seiner Art, weder sonderlich stolz, noch sonderlich beeindruckend. Das soll also das Symbol einer ehemaligen Bauernpartei sein? Ein zwergenhafter, harmloser, impotenter, dickbäuchiger und krummbeiniger Bastard? Gäbe es auch nur noch einen echten Bauern in den Entscheidungsgremien dieser Pseudodemokraten, er würde ob so viel Missachtung urschweizerischer Viehzuchtmaximen heulend das Weite suchen.

Aber wenn dieser kleine Exbock nun beim besten Willen nicht als Symbol für schweizerische Tugenden und Werte taugt, dann ist er doch das perfekte Symbol für jene, die ihn entweder aus schlichter Ignoranz oder in arroganter Hoffnung auf die Ignoranz ihrer Wähler, zum Symbol für diese Werte küren wollten. Was symbolisiert diese Stammtischrunde hemdärmeliger Tattergreise unter der Ägide eines frustrierten und geifernden Ex-Bundesrates besser, als ein Exziegenbock, der zusammen mit einem abgehalfterten Exhengst irgendwo im Stroh rum dümpelt und lediglich noch Fäkalien und Gemecker von sich gibt?

Wäre man den älteren Herrn aus reiner Pietät nicht zu einer Art Grundwohlwollen verpflichtet, so könnte man sich noch in ein paar weit unfreundlicheren Analogien ergehen. Betrachtet man sich nämlich die Böcke echter schweizer Urrassen, dann wild sehr schnell klar, warum sich dieser politische AHV-Club keinen echten, potenten und wahrhaftigen Schweizer auf die Bühne ihrer Selbstdarstellung geholt hat. Wer sich jemals den mindestens 75 kg Lebendgewicht und den meterlangen Hörnern eines echten schweizer Ziegenbocks gegenüber sah, der weiss recht genau, dass so einer nicht für Bühneauftritte vor rösslistumpenrauchenden Haldengutpatrioten taugt. Dafür ist zu viel Kraft und Eigensinn in so einem Tier. Und so wie die Parteispitze einem echten schweizer Ziegenbock nicht gewachsen wäre, so braucht sie eben eine Wählerschaft aus geistig kastrierten, handzahmen Nichtdenkern, um mit ihren etwas sehr seichten Spielchen nicht aufzufliegen.