20. Juli 2006

Kampf gegen die Gewalt

“Fighting for peace is like fucking for virginity” so der nette Spontispruch aus... egal wann. So kurz und eindringlich wie das klingt, würde man meinen, das passe auch dem letzten Hohlkopf in die celebralen Freiräume. Weit gefehlt, die selbsternannten Hüter von Frieden und Gewaltlosigkeit überbieten sich gegenseitig darin, Zwist und Gewalt mit aller Gewalt zu unterdrücken.

Wer nun meint, es gäbe da nur die sternebannernwedelnden Rüstungs- und Energiemultis, die dem Winkeladvokaten aus Texas aufgetragen haben, die ganze Welt mit Terror und Krieg zu überziehen, damit Terror und Krieg keine Chance haben, dem fehlt der Blick für das kleine Feine. Wir Tellensöhne und -töchter können auch ganz nett absurd sein, wenn es darum geht, der Gewalt Einhalt zu gebieten. Mit schweizerischer Gründlichkeit gibt es kein Halten mehr, wenn es darum geht, irgendwas gewaltfrei zu kriegen.

Ok, ganz so stimmt das nicht. Die jährliche 1.-August auf dem Rütli Sicherheitsblamage, die kriegt man irgendwie nicht in den Griff. Und schon ist es da, das Absurde und Wirre. Man erfindet ganz wunderbare Sicherheitsvorkehrungen damit ja nur nicht ein einziger gewaltbereiter Dummkopf in ein Fussballstadion kommt, aber es scheint menschenunmöglich, Dutzende von Skinheads daran zu hindern, alljährlich die höchsten Würdenträger der Schweiz auf unflätigste zu beschimpfen und die Feier zum Nationalfeiertag derart zu stören, dass man schon über einen Verzicht nachdenkt. Niemand wird erklären können, warum man optisch so klar erkennbare Störenfriede nicht einfach von solchen Veranstaltungen ausschliesst, was dann aber wieder ein ganz anderes Thema ist.

Aber so schnell gibt der Innerschweizer nicht auf. Der urchige Sohn von Tell und Telline denkt sich, dass was für den Fussball gelte, doch auch für die Feier auf dem Rütli angewandt werden könne. Wer immer an dieser Feier teilnehmen will, der muss sich im Vorfeld unter Angabe von Personalien anmelden und sich beim Betreten des Areals ausweisen. So weit, so genial und datenschützerisch bedenklich. Und da scheitert dann auch schon das Vorhaben für ein Mindestmass an Sicherheit für unsere Staatsoberhäupter. Dieses Sammeln von Daten sei nämlich von übel, weil hier Grundlagen des Datenschutzes verletzt würden.

Man merke: Wenn die Daten von Tausenden, meist vollkommen harmloser Fussballfans gesammelt und ausgetauscht werden, und das sogar grenzübergreifend, dann ist das gut, weil es für die Sicherheit gut ist und für den Kampf gegen die Gewalt. Wenn man ein paar hundert Leute auf dem Rütli mit ihren Daten registrieren will, dann ist das nicht zulässig, weil Datenschutz vor geht.

Da stehen wir nun, die Erben von Freiheit, Menschenrechten, Gewaltentrennung und Demokratie und demontieren im Namen der Sicherheit nach gutem amerikanischen Vorbild all diese Werte. Ein Hooligangesetz kommt und schon darf alles an Daten gesammelt und verwertet werden, was irgendwie für die Bekämpfung der Gewalt relevant sein könnte. Vorsorglicher Freiheitsentzug wird ein reiner Verwaltungsakt und jeder Fan bis zum Beweis des Gegenteils mal ein Hooligan. Aber bitte, das gilt nur für den Fussball und nicht für Veranstaltungen wie zum 1. Mai und zum 1. August. Da gelten dann die bürgelichen Freiheiten zum Scheibeneinschlagen, Leutebeschimpfen und Autosanzünden.

Wer nun wütend wird, weil hier fundamentale Bürgerrechte im Namen der Sicherheit einfach abgeschafft werden, der halte besser an sich mit Kritik. Beim nächsten Einkauf im Fanshop seines Fussballvereins könnte er schon in einer Kartei für gewaltbereite Fussball- und Bürgerrechtsaktivisten landen. Der Kampf gegen die Gewalt muss ohne Rücksichten geführt werden. Man muss die Gewalt mit allen Mitteln bekämpfen und zwar immer dort, wo sie ausbrechen könnte. Eigenartigerweise aber nie dort, wo sie entsteht. Sie entsteht in den Köpfen desillusionierter und perspektiveloser Menschen, die in der Gewalt den Ausdruck finden, den man ihnen als Mitglieder der Gesellschaft verwehrt.

Aber der Kopf ist auch bei Hooligans weiter oben als die Brieftasche mit dem Ausweis und so weit hinauf will sich in diesem Lande wohl niemand auf Weg machen. Man bleibt auf dem gängigen Level von Arsch, Brieftasche und Ausweis.

 

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