6. Oktober 2010

Wir sind empört!

Jeder noch so zaghafte Blick in die Dumpfbackenmedien beweist unwiderlegbar, dass in diesem Land eine Kultur der Dauerempörung herrscht und diese auch zunehmend zum rechtsetzenden Element avanciert. Dabei kann man es sich auch gleich noch aussuchen, worüber man sich ohne Grund und Ende in allen Farben des Regenbogens empören will. Dicke Kinder, magersüchtige Kinder, kriminelle Kinder, misshandelte Kinder, fehlende Kinder, ausländische Kinder und selbstredend immer auch die Nachbarskinder, sind ein unerschöpflicher Quell der Empörung. 
Aber das reicht natürlich nicht. Wir empören uns über die Raser, die Ausländer, die Abzocker, die Klimahysteriker, die Klimaleugner ( niemand weiss, wie man das Klima leugnen kann) und wenn alles nichts hilft, dann empören wir uns eben über die Medien, die Richter und Politiker. Kurzum, wir empören uns über alles, was nicht unser Arsch ist oder auch nur einen Hauch intelligenter. Wobei die Empörung um die neue Miss Schweiz gezeigt hat, dass wir uns zur Not schon auch mal über etwas empören, was wirklich noch dümmer als ein Arsch ist.
Ändert sich irgendwas, wenn wir uns empören? Rasen die Raser langsamer? Nehmen die dicken Kinder ab? Bestrafen die Richter Ladendiebstahl dann endlich mal gerecht mit lebenslanger Festungshaft? Votieren Politiker dann plötzlich im Sinne der Wähler statt der Verwaltungsratmandate? Lernt die neue Miss Schweiz den Unterschied zwischen einem Studium und dem Wunschzettel fürs Chrischtchindli?
Angesichts der Tatsache, dass wir uns nun schon eine ganze Weile empören und das immer mehr über die immer gleichen Dinge, darf der Schluss erlaubt sein, dass all unser Echauffieren nur gerade den Blutdruck verändert.
Aber wenns doch nun gar nichts bringt, ausser einer langvermissten Wärme in den lahmen Lenden, warum kreischen wir im Stile hinterpommer’scher Pfarrerstöchter jedesmal wild durch die Gegend, wenn jemand etwas macht, das wir weder ändern können noch verstehen wollen? 
Genauuuuuu! Wer kreischt, der denkt nicht. Und das Nichtdenken, das ist ja zusammen mit der Empörung zur höchsten Staatsbürgertugend verkommen. Wer nicht denkt, der fragt auch nicht und damit erspart man sich als grosser Weltenlenker schon mal all die mühsamen Antworten, auf die ganz offensichtlichen Fragen.
Wenn man als grosser Weltenlenker, oder auch bloss als Ex- Bundesrat und Vollzeitgeriatriker, dem Volk den rechten (also den einzigen) Weg zeigen will, dann ist das Letzte, was man brauchen kann, so ein informiertes und kritisches Pack, das lesen, schreiben und denken kann. Will wirklich noch jemand ausländische Mitbürger ausweisen, wenn die Zahlen ums Verrecken kein Anstieg der Ausländerkriminalität hergeben?
Will jemand die Bürgerrechte seiner Mitmenschen mit Füssen treten, wenn er erkennen muss, dass die eigenen Rechte dabei auch bachab gehen? Fragt noch jemand nach der Stellung der Schweiz in der globalisierten Welt, wenn man mit dem Finger auf dicke Kinder zeigen kann? Verlangen wir von den Führern des rechten Wegs Lösungen für die Problematik der Überalterung, wenn wir stattdessen über die fremden Richter lästern können, die uns zumindest einen Teil unserer Demokratie erhalten? Fordern wir noch Antworten, wenn all die Fragen in der Empörung untergegangen sind?
China ist gerade auf dem besten Weg, die Welt zu kaufen und uns stückweise gegen gutes Geld und Freiheitsrechte zurück zu leihen. Wie reagiert die Schweiz drauf? Aus Empörung über Steinigungen im Iran verbieten wir hier die Minarette. Wer sowas nicht als den Gipfel der Cleverness erkennt, der braucht vielleicht doch ein Studium an der Open University von Oxford oder Kuhmercedes.

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