Seit geraumer Zeit flattert allwöchentlich der Newsletter der Uni auf meinen virtuellen Schreibtisch. Darin stehen nett adrett aufgereiht die Forschungserfolge besagter Uni. Wer wo Aussergewöhnliches gleistet hat, und was das für den Fortschritt in der Welt so bedeutet. Da kann man ganz erstaunliche Dinge erfahren. In einer Zeit, wo ein Gutteil der menschlichen Kommunikation darin besteht, in Rudimenten der Sprache Kurznachrichten über Energiewellen zu versenden, hat man erforscht, dass gewisse Einzeller das Gleiche tun. Man erfährt, dass auch dann noch schlafmustermässig wie ein Kleinkind schläft, wenn man schon seit Jahren wie ein Grosser durch die Gegend poppt . Es wird einem mitgeteilt, dass die Webseiten der Kantone von einem Drittel der User schlicht als wirrer Müll empfunden werden, die Kantone aber seit drei Jahren nichts dagegen unternehmen. Das tröstet den Menschen doch sehr, der gerade zwei Stunden vergeblich versucht hat ein Onlineformular auszufüllen, das bei jedem Abschicken einen Fehler in der Datenbank angezeigt hat. Er ist nicht allein. Dieser Mensch weiss dank der unermüdlichen Arbeit der Forscher nun auch endlich, dass man besser atmen kann, wenn die Luftqualität besser ist. Wer hätte sowas für möglich gehalten?
Das ist doch fast so überraschend, wie die Tatsache, dass Nachtigallen nachts vögeln und Umweltgifte krank machen. Dank den Millionen, die wir in die Forschung stecken, erfährt der freudig erregte Laie nun, dass es Parallelen gibt in der Neurogenese von Mensch und Fliege, wenngleich einem dann doch nicht erklärt wird, warum die Hirnentwicklung bei manchen Menschen auf der Fliegenstufe verharrt und das ein Leben lang. Überhaupt ist der ganze Denkapparat des Menschen ein unerschöpflicher Fundus an Forschungsgegenständen. Gewaltige Maschinen und ehrwürdigen Professoren aus aller Welt ergründen unermüdlich, wie der Mensch denkt, wo genau er denkt, warum er manchmal schnell und dann wieder ganz langsam denkt, wie der Mensch schlafen muss, damit ihm das Gedachte präsent bleibt und ob Pflanzen genau gleich denken. Leider forscht niemand an der Ursache, warum manche Menschen nicht mal so viel wie Pflanzen denken.
So wird also an allen Dingen, für alle Zwecke und aus jedem denkbaren Anlass irgendwas geforscht. Wirken Psychotherapien und wenn ja, wie und welche? Kann man mit Sport ausländische Kinder integrieren? Welches Eiweiss bildet Muskeln und wie sieht der erste Sex der heutigen Jugend aus? Für das Geld, mit dem man in Afrika 100'000 Menschen vor dem Hungertod retten könnte, sucht man hier nach neuen Behandlungsmöglichkeiten gegen Fettleibigkeit. Während ein Drittel der Menschen nicht lesen und schreiben kann, basteln findige Menschen am Quantencomputer, und im Haus nebenan untersucht jemand die Folgen lebenslanger Armut auf das Modebewusstsein indischer Frauen.
So als unbedarfter Laie ist man recht verblüfft, wozu Neugier, Forscherdrang und schnöde Ruhmsucht den Menschen so treiben. Man staunt über all die Dinge, die der Mensch findet und erfindet, wenn er nur lange und heftig genug danach sucht. In dieser ganzen Fortschrittseuphorie, die einen ganz unweigerlich erfasst, ob all der schönen, neuen Dinge, kommt man dann aber nicht umhin sich zu fragen, warum eine Uni, der es angeblich möglich ist, eine menschliche Nervenzelle in 3D abzubilden, über Wochen nicht in der Lage ist, ein simples Mikrofon in einem Hörsaal zu reparieren. Diese Frage ist wohl noch Gegenstand aktueller Forschung.
27. Mai 2009
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