6. Februar 2009

Kampf der Kulturen

Seit das westliche Abendland entdeckt hat, dass auch andere Kulturen sinnlose Gewalt, Bigotterie, Unterdrückung, Ausbeutung und irrationalen Hass hervorbringen, ist es bemüht, zumindest eine dieser andern Kulturen mit allem zu bekämpfen, was besagtem westlichen Abendland eben an sinnloser Gewalt, Bigotterie, Unterdrückung, Ausbeutung und irrationalem Hass zu Verfügung steht. Der aktuelle Punktestand liegt bei 9/11: 7/4 für die Abwesenheit von Vernunft. Da mag man sich in seiner selbstgefälligen Überlegenheit gemütlich in den Ohrensessel zurück lehnen und mit dem versnobten Lächeln eines abgetakelten Humanisten über die Unfähigkeit der Leute zum Dialog spotten. Aber wie jeder weiss, dauern diese Momente rotweinseliger Selbstzufriedenheit immer nur gerade bis zum nächsten Realitätseinbruch. Dann ist Ende der Zuckerstange und man findet sich selber mitten in einem ganz andern Kampf der Kulturen wieder, und der hat weit mehr Potenzial an Absurdität, als es das Moslemabfackeln je haben könnte.

Man erkennt sich nämlich plötzlich selber im Widerspruch zur vermeintlich eigenen Kultur. Man findet seinen aktiven Wortschatz im Lexikon der bedrohten Wörter wieder und kann auswärts keinen Kaffee mehr trinken, weil man das Trendwort für Milchkaffee nicht kennt. Ja, waren das noch Zeiten, als man bei Chippendale als einziges an Möbel dachte und als Gothic noch der englische Begriff für das Zeitalter Riemenschneiders und des Kölner Doms war. Man kann sagen, was man will, aber die Welt war übersichtlicher, als Romantik noch was mit Caspar David Friedrich, Lord Byron und Franz Schurbert zu tun hatte und nicht mit der dreiundzwanzigsten Kuschelrock CD und einer Flasche Prosecco von Aldi. Wo sind sie nur hin, die klaren, einfachen Zeiten, als der Russe noch der antikapitalistische Feind war und nicht die Stütze der Luxusindustrie, als die Chinesen noch ihre Kultur revolutioniert, statt unsere nachgeäfft haben? Warum streben wir heute nach dem Fahrrad und die Chinesen nach dem Auto? War das nicht alles mal anders?

Da steht man nun auf der Strasse und versteht nicht, dass es diesen jungen Herren nicht peinlich ist, dass ihre Unterhosen über den Bund der schlechtsitzenden Hose herausragen. Man erkennt mit Erstaunen, dass man für eine durchgewetzte Jeans mit Löchern und Flicken dreimal mehr bezahlen muss, als für eine ganze. Man liest mit Erstaunen, dass ein Bonus, der doch für die Belohnung besonderes guter Leistungen gedacht ist, neuerdings auch bei komplettem Versagen fällig wird und dass der freie Markt scheinbar darin besteht, dass sich die Monopolisten frei beim Staat bedienen. An welchem Tag wurde die Welt in ihr eigenes Gegenteil verkehrt?
Wenn man nur lange genug lebt, dann wird man ein Fremder in der eigenen Welt und schon muss man mitleidig über sich selber lachen, weil man so komplett unfähig zum Dialog mit der Salesmanagerin im Takeawaycoffeeshop ist und immer noch nicht begriffen hat, dass ein Milchkaffee eben eine Latte ist und die eben kein Brett mehr.